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Andrea R. Stoll (M.A.)

Dr. Peter Lodermeyer

Katalog

von Andrea R. Stoll (M.A.)
Kunsthistorikerin

Unter dem Titel TREIBSAND werden ab 10. November 2016 in einer umfangreichen Einzelausstellung neue Arbeiten der in Karlsruhe lebenden Künstlerin Bettina von Witzleben gezeigt.

Der Titel der Ausstellung verweist einerseits auf die dynamische Anmutung der Arbeiten, andererseits auf das für die Charakteristik der Kompositionen entscheidende Material Sand. Dieses dynamische, geologische Material kann von Wind und Wasser transportiert werden und ist in der Lage, weite Grenzen zu überschreiten. Sand gibt es seit Millionen von Jahren, inzwischen jedoch führen wirtschaftliche Interessen des Menschen dazu, dass die Ressourcen immer mehr abnehmen, was wiederum das ökologische Gleichgewicht gefährdet. „Phänomenologisch steht für mich der Sand als Ursprung allen Seins in seinen winzigen Partikeln und seiner Körnerhaftigkeit, jedoch auch für die Auflösung aller festen Materie“, so die Künstlerin.

Bettina von Witzleben lässt sich von der Natur inspirieren und von inneren Eindrücken leiten. In der Gestaltung neuer Formen versucht sie dem Sand das zurück zu geben, was er einmal war oder zu positionieren, was er sein könnte. Dazu lässt sie Sand in Verbindung mit Tusche über die Leinwand laufen, vermischt ihn mit Pigmenten oder klopft den Staub mit den Händen auf den feuchten Untergrund. Durch die Verwendung von Sand - ob allein oder als Farbträger für Tusche und Acryl - erreicht sie Mehrschichtigkeit und Tiefenräumlichkeit, ohne pastose Farbaufträge setzen zu müssen. In ihren Arbeiten verschmelzen Farbe und Malgrund, wodurch die Farbe Einfluss auf die Fläche nimmt und Raum, Formen und Objekte schafft.

Die Bilder wirken dabei leicht, in manchen Bereichen fast transparent, hier und da wird Dreidimensionalität angedeutet. Dem Betrachter bieten sich immer neue Einblicke und er meint Dinge oder Elemente erkennen zu können wie Licht, Luft, Wasser, Erde. Dadurch verschwimmen die Grenzen zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, so dass sich der Eindruck von Landschaft oder Natur aufdrängt. Einer Landschaft, in der Himmel und Erde, Wasser und Luft zu einer Einheit verschmelzen. Oben und unten ist nicht klar definiert. Die Künstlerin nennt diese Bildwelten der Realität und Träume „Seelenlandschaften“.

Nachdem sich die Farbpalette der Künstlerin in den letzten Jahren vorwiegend auf die Farben Weiß, Schwarz, Grau und unterschiedliche Erdtöne beschränkte, erweitert sie in ihren jüngsten Arbeiten ihr Farbenspektrum um Farben, die als warm (Rot), lichtvoll (Gelb) und fruchtbar (Grün) wahrgenommen werden. Auch kommt ein neues Material - Schellack - zum Einsatz, mit welchem sie überraschende, spannungsreiche Effekte erzielt. Einmal lässt sie ihn in vollem Glanz erstrahlen, dann wieder mattiert sie den Lack oder erzeugt durch den Wechsel von matten und glänzenden Bereichen landschaftsartige Strukturen.

Die in der Ausstellung gezeigten großformatigen Arbeiten auf Leinwand verbindet eine strenge horizontale Dreiteilung des Bildaufbaus. Gesetzt der Aussage Franz von Assisi’s „Wer mit der Hand arbeitet ist ein Arbeiter, wer mit der Hand und dem Kopf arbeitet ist ein Handwerker, wer mit der Hand, dem Kopf und dem Herz arbeitet ist ein Künstler!“, sind diese Bilder als Dreiklang von Fühlen, Denken und Wollen zu lesen und zeigen, dass nur das Zusammenspiel von kognitivem Ansatz, dem Zulassen von Gefühlen und dem malerischen Können der Künstlerin Bilder von solch emotionaler Qualität hervorbringen kann.

Jedes Bild, jede Zeichnung der Künstlerin Bettina von Witzleben ist einzigartig und beeindruckt durch ein komplexes Bildgeschehen, durch erfahrbare Materialität und ein feines Gespür für Farbe und gekonnte Komposition.